Partysan-Interview - Cosmic Baby

   
 
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Hallo, Herr Baby ....


K. Du hast erst vor kurzem dein neues Label "Time out of mind Records" gegründet. Leider habe ich noch nichts deiner neuen Veröffentlichungen in den Händen gehalten.

C.B.: Echt, das müssen wir aber schnell nachholen.

K.: Unbedingt

C.B.:O.K., dann erzähl ich mal was darüber...Letztes Jahr, so im April hab ich mit Werner, der früher mein Manager war, beschlossen, daß wir unser eigenes Label gründen wollen. Ich hatte den Eindruck, daß es mit der BMG, oder überhaupt mit einem großen Label nicht mehr weitergehen könne. Ich stand vor der Entscheidung, entweder Du folst den Spielregeln und läßt dich als Popstar promoten oder du mußt was ganz anders machen. Ich dachte, nachdem ich von MFS gewechselt habe, es müßte auch einen Mittelweg geben. Ein Label sollte etwas für einen Künster tun.
Ich möchte auch Einfluß auf die Sachen nehmen, die nach der Überspielung des Dats passieren. Es war nie mein Ding, zu sagen: "Ich hab meine Musik gemacht, danach geb ich es ab und der Rest ist mir egal." Für mich gehört das immer zusammen. Wie ein Cover aussieht zum Beispiel, aber auch welche Interviews ich mache, mit wem ich rede usw. Da hab ich schon gemerkt, daß es fast unmöglich ist, in einem Prozess dabei zu sein, der schon sehr formatiert ist. BMG ist einfach eine große Firma die haben ihre Leute und ihre Spielregeln und Mechanismen.Wenn man die ganze Zeit sagt, nichts geht ohne meine Zustimmung...dann setzt irgendwann der Punkt ein, wo die Leute sagen: "Eh, was sollen wir mit Dir machen, das willst Du nicht, und das was Du möchtest hat noch nie jemand bekommen. Das hat mich eigentlich ziemlich gelähmt. Folglich mußte ich dann eine Entscheidung treffen, ich wollte es auf keinen Fall soweit kommen lassen, zu sagen: "Naja jetzt leckt mich alle am Arsch, jetzt mach ich es halt auch, wie alle anderen. Nur: Dann hätte ich viel von dem verloren, was mich eigentlich glücklich macht, da ich Illusionen habe, und weil ich Visionen hab, die will ich auch durchsetzten. Deshalb haben wir gesagt, OK, wir müssen das alleine machen. Im April hab ich das auch bekanntgegeben bei Logic. Es hat dann auch noch bis Oktober gedauert, bis wir so weit waren, daß wir dann meine erste Platte alleine rausgebracht haben. Wir dachten zuerst es reicht eine eigenes Label zu haben, und mit Vertrieben werden wir uns schon einigen. Doch da mußten wir erkennen, daß auch Vertiebe unheimlich klare Vorstellungen haben, was ein Künstler machen soll. Da haben einige Vertiebe gesagt, was - die erste Platte war total unkonventionell und atonal- ne, wir hätten es lieber, wenn Cosmic eine Dance-Platte machen würde, weil die kann man besser verkaufen, ja...ja. Ich habe echt ein bißchen gestaunt, weil ich wirklich dachte, wenn ich erst mal die Kontrolle hab, kann ich mit Werner zusammen ganz genau dirigeren, wo die Sachen hinkommen und mit wem ich darüber spreche. Dann ist das Problem schon reduziert, aber es wurde fast noch schlimmer. Vertriebe sind letztendlich für mich nichts anderes, als sehr, sehr geschäftstüchtige, formatierte Menschen. Deshalb mußten wir sogar das noch selber machen. und das ist natürlich eine wahnsinnige Arbeit. Ich hab mir das einfacher vorgestellt, ein Label zu gründen. Ich kann echt sagen, wenn da nicht Cosmic Baby daraufstehen würde, dann wäre es schier unmöglich, eine Platte in die Läden zu bekommen. Ein ganz großer Vorteil bei Techno war, daß jeder von uns Musik machen konnte, das es günstig ist, Musik zu machen und sie wirklich jeder leicht produzieren kann: Du brauchst eigentlich kein großes Budget. Auf der anderen Seite ist es dann tatsächlich so weit gekommen, daß die Läden so voll sind mit Platten und eigentlich keiner mehr Überblick darüber hat, was eigentlich passiert. Naja es muß eigentlich schon eine ganz sichere Nummer sein. Entweder ist es ein bekannter Name, oder zumindest, steht der neue Interpret mit einem ganz bekannten Namen in irgendeinem Zusammenhang. Ansonsten ist es schwer.

K: Ihr habt also einen ganz eigenen Vertrieb?

CB: Ja, man bekommt die Platten nur über uns, in keinem Großhandel, über gar niemand anders, nur wenn man uns anruft, die Adresse steht ja auf den Platten.

K: Ihr arbeitet jetzt ganz ohne Major?

C.B.:Ja. OK ich laß mich nicht so einreihen und geh Koalitionen mit Leuten ein, sondern ich will es alleine machen. Wir probieren es jetzt schon auf einem sehr professionellen Niveau, aber doch ganz alleine zu machen.

K: Dies war ja auch eigentlich die Grundidee von Techno, die Freigabe der Produktionsmitteln, daß man eben unabhängig von den Majors wird. Aber im Endeffekt hat das doch nicht geklappt. Ich meine, jetzt kann zwar jeder zuhause produzieren, aber was danach passiert ist doch ganz beim Alten geblieben.

C.B.: Das Problem liegt einerseits an der Stuktur der Plattenfirmen und auf der anderen Seite, daß in den Medien, gerade auch in unseren Technomedien, ganz gerne im Vorwort gesagt wird, es ist zu kommeziell geworden, es geht den Bach runter, doch auf der anderen Seite daneben ist dann eine ganzseitige Anzeige für Marusha und Mark' Oh. Da wundere ich mich dann, denn diese Leute sind sehr oft mit den Leuten verbunden, die Ihnen das Geld geben, um Anzeigen zu schalten oder große Parties zu machen, was weiß ich......und von daher wird auch da unheimlich viel selektiert, mit wem man überhaupt Interviews macht, wer eine Plattenbesprechung bekommt und auch wer eine gute Plattenbesprechung bekommt. Also, auch das gibt es auch. Anders ist das nur bei den ganz kleinen Magazinen, wenn sie anfangen.Die sind dann unheimlich idalistisch und offen und wollen es besser machen, als das Establishment, das ist ja immer so. Ich glaub der einzige Weg ist dies zu erkennen und dann zu entscheiden, akzeptiere ich das und mach ich da mit, oder versuche ich dann doch wieder etwas neues zu machen. Das ist dann ziemlich hart. Du steckst dann auch Prügel ein.

K: Da muß man echt sagen: Respekt! Find ich toll! Du hast Dich auch im letzten Jahr ein bißchen zurückgezogen aus dem Technospektakel. Warum?

C.B.:Hat mehrere Gründe. Ich habe ja schon 1994 angefangen, nach dem UNIVERSE zu sagen, das war das letzte große Event, bei dem ich mitgemacht habe. Und das war eine Ausnahme. 1994 habe in Deutschland nur auf der UNIVERSE gespielt. Ich habe sogar bei euch immer gesagt, ich mach nicht mit. Mir war einfach alles zuviel: wenn ich da auf der Bühne stand, war ich doch auch schon relativ routiniert. Du kannst plötzlich nicht mehr aus der reinen Energie und aus der Begeisterung schöpfen, sondern Du mußt Dir deine Kräfte einteilen und irgendwann wirst Du müde. Ich hab auch gesehen, daß das Puplikum müde geworden ist und zwar deswegen, weil zu oft zu viel passiert ist. Wenn Du Cosmic Baby 10 x in Frankfurt siehst und x mal in München, dann ist das sowohl fürs Puplikum und für mich selber kein Event mehr. Wenn ich mich schon hinstelle und Live spiele, dann muß das schon ein Erlebnis sein. Und zwar für mich genauso, wie für die Leute. Die müssen sich überraschen lassen können. Ich wollte mich von dem Mechanismus, der mir damals 1991, 92, 93 sehr gehofen hat, nämlich daß ich viel Presse hatte und überall spielen konnte, zurückziehen. Es war für mich sehr wichtig, um überhaupt einen Namen zu bekommen, aber irgendwann merkte ich, wenn du jetzt nochmal weitermachst, dann geht es in eine Richtung, die mir nicht zusagt. Ich hätte den Leuten dann auch nicht mehr klar machen können, daß ich an die Sache glaube und daß ich versuche mit viel Energie und Abenteuerlust immer wieder Neues zu entwickeln. Das geht nur dann, wenn du viel Zeit und Ruhe hast, auch manchmal, auch wenn es dir schwer fällt, nicht überall dabei sein kannst. Da muß man dann auch sagen, OK, da geh ich das Risiko ein, daß einige Leute entweder sagen: "Oh Gott, der kriegt ja nichts mehr auf die Reihe", oder "der wird ja nicht mehr gebucht" oder "mit dem ist es scheinbar vorbei". Das ist qautsch. Dabei ist es doch so, wenn man wirklich dahinter stehen möchte, dann braucht man oft Zeit, sich zu regenerieren.Wirklich was Neues zu machen geht nicht so auf Befehl. Oder es passiert, daß man sich jahrelang nur noch wiederholt. Dann wirds aber für alle Beteiligten langweilig. Ich muß mich auch zurückziehen, um meine Musik zu erneuern. Dazu bin ich erst mal nach Amerika gegangen, hab dort gewohnt und hab dort weiterhin eine Wohnung. Mittlerweile bin ich sehr viel drüben.

K: Wo hast Du da gewohnt?

C.B.: In Brooklyn. Ich bin sehr glücklich, daß ich mir das erlauben konnte, in Amerika zu wohnen und zu spielen, mit Leuten neue Projekte zu machen. Das hatte sehr viel Einfluß auf die Musik, die ich danach gemacht habe.

K: Ist die mit der Crusade-Kirchen-Tour, die heute abend mit dir in Hamburg startet und durch ganz Deutschland gehen wird, so eine Art "zurückkommen" für Dich? Wird es bald mehr Cosmic Baby Auftritte geben ?

C.B.: Zurückkommen in der Gestalt, daß ich mehr in die Konzertrichtung gehen werde.Da könnten jetzt bestimmt so einige ihre Zweifel haben, "das wird dann doch eine Rockveranstaltung". Ich glaube das die elektronische Musik im allgemeinen so groß ist, so viele Möglichkeiten hat, daß man sich das auch vorstellen kann, das auch Kinder der Technobewegeung irgendwann so weit kommen, abendfüllenden Konzerte zu machen. So wie es auch Future Sound of London, Orbital oder LFO machen. Es wird Konzerte geben und es wird weiterhin Partys geben.

K: Ich glaube, es ist auch wichtig, daß man sich nicht nur auf den musikalischen Sektor weiterbewegt, sondern auch im Veranstaltungsbereich.

CB: Auf jeden Fall, es gehört auch dazu. 1996 stehen die Zeichen viel günstiger, da daß Mega-Rave-Konzept nicht mehr klappt. Man braucht Leute, die mit neuen Dingen kommen. Ich bin sehr kritisch und möchte nur mit Leuten zusammenarbeiten, wo ich merke, die haben sich dabei etwas überlegt und da ist eine Kontinuität da. Und nicht so kleine Highlights immer...

K: Na klar, da ziehen viele schnell, schnell nach...

C.B.:Auf jeden Fall.

K: Wie würdest Du jetzt Dein musikalisches Konzept beschreiben?

C.B.: Ich habe drei Platten herausgebracht, seit ich mein eigenes Label habe. Ich hab von April bis jetzt soviel Musik gemacht, wie schon seit Jahren nicht mehr, weil ich mein Studio nach Hause verlegt habe, kann aufstehen, Kaffee trinken und spielen, drei Tage und Nächte hindurch. Manchmal tut es mir richtig weh, daß ich sage, warum kannst du nicht mehr so, warum kannst du dich nicht mehr so naiv in Techno reinfallen lassen. Das geht nicht mehr so, dafür hab ich schon zuviel erlebt. Es geht halt einfach immer weiter. Als ich aus Amerika zurückgekommen bin, hab ich mein Studio zuhause aufgebaut. Dann hab ich erstmal angefangen ganz viel Terrain zu erarbeiten, wo ich eigentlich noch nie war: Ich habe erstmal Musik gemacht, die gar keine Melodien mehr hatte. Die mußte ich mir richtig verkneifen. Ich wollte alles ablegen, was sich so schön bewehrt hatte, was schön klingt, wo man auch schnell ein Erfolgserlebniß hat. Wenn ein schönes Klavier kommt und du merkst, ach ja es läuft. Das hab ich mir erstmal alles weggeschoben. Ich habe mir gedacht, du setzt dich jetzt ins Flugzeug und fliegst wohin, wo du noch nie warst.Da sind dann Platten rausgekommen, die total abstrakt waren, wo du dich auch nicht mehr so schön festhalten konntest an einem schönen Rythmus und einer schönen Melodie. Von dieser Platte bin ich dann ausgegangen, und habe einen neuen Rythmus gesucht.Die "Fourteen Pieces", die zweite Platte nach der "Stunde null", waren so eine Bestandsaufnahme, daß waren eigentlich 100 min Musik mit Stücken, die jedes für sich eine ganz andere Stimmung hat. Dieses Jahr merke ich, daß ich soviel an neuen Ausdrucksfarben und -formen dazubekommen hab, daß ich mich jetzt auch wieder an so ein Konzept wagen kann, was auch eigentlich einem Album entsprechen kann. Für mich müssen auf einem Album die Stücke auch immer zusammenpassen, das muß immer eine Geschichte sein, und da arbeite ich seit Dezember dran. Und so Ende Mai wird es dann fertig sein, mein drittes Album nach der "Stellar" und nach der "Thinking about myself". Und da wird all das auftauchen, womit ich mich beschäftigt habe.


Und da freuen wir uns auch drauf, lieber Cosmic. Vielen Dank für das Interview, und HAPPY BIRTHDAY (19.2)!

Kerstin
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Last Update: 2000/01/07 15:39:05
Stefan Sell (tes@tursa.franken.de)